Das Fleisch nicht kastrierter Eber kann in der Pfanne zu stinken beginnen – richtig übel, wie eine
Mischung aus Schweiß, Urin und Fäkalien. Ursache sind unter anderem Sexualhormone in manchen
männlichen Schlachttieren. Bisher gibt es kein rasches analytisches Verfahren, um solche Schlachtkörper
auszusondern – außer der menschlichen Nase. Für die Entwicklung eines neuen Referenzverfahrens
erhalten die beiden Lebensmittelchemiker Dr.
Jochen Fischer (Universität Bonn) und Dr.
Paul
Elsinghorst (Universität Bonn, Sanitätsdienst der Bundeswehr) einen mit 10.000 Euro dotierten Wissenschaftspreis
der Heinrich-Stockmeyer-Stiftung. Einen weiteren ersten Preis erhält die Tierärztin
Dr.
Henrike Jäger (Ludwig-Maximilians-Universität München, Tierärztliche Fakultät). In ihrer Doktorarbeit
untersuchte sie systematisch verschiedene Risikofaktoren für Brustfellinfektionen bei Mastschweinen.
Sie nutzte in ihrer Fall-Kontroll-Studie die umfangreichen Informationen einer Datenbank für Schlachttierkörperpathologie
und konnte demonstrieren, dass mit diesen Daten haltungsbedingte Ursachen frühzeitig
erkannt werden können. Damit lassen sich präventive Maßnahmen rasch und zielgerichtet auf der
Betriebsebene umsetzen – und das ist ganz im Sinne des Tierwohlaspektes und der Bemühungen, die
Hygiene in den Beständen und schließlich auch die Sicherheit von Lebensmitteln zu verbessern.
Der Stockmeyer Wissenschaftspreis wird im Rahmen der 54. Arbeitstagung Lebensmittelhygiene am
26. September 2013 in Garmisch-Partenkirchen verliehen. Der Preis ist mit jeweils 10.000 Euro dotiert.
Aufgrund der Qualität der eingereichten Arbeiten werden in diesem Jahr zwei Preise mit zusammen
20.000 Euro vergeben. Mit der Auszeichnung will die gemeinnützige Heinrich-Stockmeyer-Stiftung
Arbeiten mit besonderem Praxisbezug und anwendungsorientierte Forschung zur Erzielung von mehr
Lebensmittelsicherheit fördern und damit zur Stärkung des Verbrauchervertrauens in die Qualität von
Lebensmitteln beitragen.
Sperrfrist 26. September 2013!Die Preisträger und ihre Arbeiten:Dr. Jochen FischerLebensmittelchemiker, Universität Bonn, Institut für Ernährungs- und Lebensmittelwissenschaften,
Abteilung Bioanalytik
Dr. Paul ElsinghorstApotheker, Lebensmittelchemiker, Universität Bonn, Sanitätsdienst der Bundeswehr
Entwicklung einer Referenzmethode
für die simultane Bestimmung von EbergeruchsstoffenDas Fleisch
nicht kastrierter Eber kann in der Pfanne zu stinken beginnen – richtig übel, wie eine Mischung
aus Schweiß, Urin und Fäkalien. Ursache sind unter anderem Sexualhormone in manchen
männlichen Schlachttieren, die sich im Fett anreichern: Das männliche Sexualhormon
Androstenonsowie die im Darm aus der Aminosäure Tryptophan gebildeten Abbauprodukte
Skatol und
Indol. Letztere
entstehen auch bei Sauen, hier werden sie jedoch in der Leber weiter abgebaut. Bei Ebern bremst
das Androstenon den weiteren Abbau.
Eberfleisch war deshalb bisher als „Stinkefleisch“ verpönt, der
Handel damit in Deutschland seit Anfang
des letzten Jahrhunderts
verboten. Erst mit einer
EG-Frischfleisch-Richtlinie wurde der Handel mit
Eberfleisch ab dem Jahr 1992 erlaubt. Etwa ein Viertel der Verbraucher, vor allem Männer, nehmen den
Geruch nicht wahr, für alle anderen ist der Geruch schon in geringsten Konzentrationen unerträglich.
Um die Bildung von Androstenon zu verhindern, wurden praktisch allen geschätzten 25 Millionen Ebern
pro Jahr innerhalb der ersten sieben Lebenstage chirurgisch die
Hoden entfernt – ohne Betäubung.
Seit 2008 versuchen die Interessenverbände
auf Druck von Tierschützern Alternativen zu entwickeln,
bis dahin sollen Ferkel nur mit Betäubung kastriert werden. Tierschützer fordern stattdessen die
Immunokastration(„Eberimpfung“), bei der die männlichen Schweine Antikörper gegen das Sexualhormon
entwickeln. Diese Impfung wird mittlerweile von immer mehr europäischen Handelsketten akzeptiert.
Die Jungebermast ist bisher die in Deutschland praktikabelste Alternative, daneben entstanden Programme
zur klassischen
Züchtung androstenonarmer Eber und zur
Optimierung der Futterzusammensetzung,
damit im Darm weniger Skatol gebildet wird. Aber auch Jungeber weisen zu einem
gewissen Prozentsatz Ebergeruch auf – weniger als Zuchteber, aber dennoch von wirtschaftlicher Bedeutung.
Experten schätzen, dass drei bis sechs Prozent aller unkastrierten Schlachtkörper betroffen
wären und vernichtet werden müssten – schon bei einem Prozent wären 24 Millionen Tonnen Fleisch im
Jahr nicht für den Verzehr geeignet.
Bisher gibt es kein rasches analytisches Verfahren, um solche Schlachtkörper auszusondern – außer
der
menschlichen Nase. In den Schlachthöfen werden deshalb die „Stinker“ erschnüffelt und ausgesondert.
Für alle Programme benötigt man Analysenverfahren, die eine möglichst genaue Bestimmung
der Androstenon-, Skatol- und Indolgehalte im Eberfleisch bzw. -speck ermöglichen. Große Hoffnungen
werden in die Entwicklung einer „elektronischen Nase“ gesetzt, die preisgünstig das betroffene Fleisch
am Schlachtband erkennen kann; die bisherigen Entwicklungen enttäuschten allerdings.
In allen Fällen ist ein quantitatives Referenzverfahren nötig. Die von Paul Elsinghorst und Jochen Fischer
entwickelte
Stabilisotopenverdünnungsanalyse wurde 2012 als Grundlage der zukünftigen
EU-Referenzmethodeausgewählt. Bei diesem Verfahren werden interne Standards zugesetzt, die den zu
untersuchenden Substanzen ähneln, bei denen jedoch einzelne Kohlenstoff- bzw. Wasserstoffatome
durch die schwereren Isotope Kohlenstoff-13 oder Deuterium ausgetauscht werden. Diese Standards
mussten erst in den eigenen Labors synthetisiert werden. Für das neue Verfahren wurden zunächst nur
500 Milligramm Fett und ein Milliliter Methanol als Lösungsmittel benötigt, inzwischen genügen bei einer
Weiterentwicklung schon 50 Milligramm Fett. Damit können sogar
Proben vom lebenden Schweinuntersucht und Züchtungsfortschritte oder der Erfolg besonderer Fütterungsmethoden verfolgt werden.
Zur Vermarktung der Methode haben die beiden Lebensmittelchemiker inzwischen eine eigene Firma
gegründet.
Paul Elsinghorst, Jahrgang 1981, studierte Pharmazie an der Universität Bonn bis zur Approbation im
Jahr 2006, im Jahr 2006, promovierte 2007 dort am Pharmazeutischen Institut und studierte anschließend
Lebensmittelchemie. Die Zulassung als staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker erhielt er im Jahr
2010, seitdem ist er auch Lehrbeauftragter des Pharmazeutischen Instituts der Universität Bonn für das
Fach Biochemie. Seit 2012 ist er Laborleiter Forensische Toxikologie am Institut für Pharmakologie und
Toxikologie der Bundeswehr in München.
Jochen Fischer, Jahrgang 1983, studierte Lebensmittelchemie an den Universitäten Frankfurt und
Bonn. Die Zulassung als staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker erhielt er im Jahr 2010, 2013 promovierte
er am Institut für Bioanalytik der Universität Bonn. Seitdem arbeitet er als Postdoktorand am Institut
für Landtechnik, Abteilung Sensorik, der Universität Bonn.
Dr. Henrike JägerTierärztin, Ludwig-Maximilians-Universität München, Tierärztliche Fakultät
(jetzt Boehringer Ingelheim Veterinary Research Center Hannover)
Risikofaktorenanalyse zu Pleuritiden bei SchlachtschweinenAtemwegserkrankungen stellen bei Schweinen einen der relevantesten Krankheitskomplexe dar. Dabei
ist vor allem die Brustfellentzündung (Pleuritis) ein häufiges Problem. Welche haltungsbedingten Risikofaktoren
spielen bei dieser Erkrankung von Schlachtschweinen eine Rolle? Mit ihrer Doktorarbeit konnte
Henrike Jäger an konkreten Fällen klar belegen, was wir alle ahnen:
Richtiges Stallmanagement und
verbesserte Hygiene verbessern die Gesundheit der Tiere deutlich – und reduzieren damit auch andere
Infektionen wie die mit Salmonellen. Kranke Schweine wachsen schlechter, der Bauer bekommt weniger
Geld – und auch im Sinne des Tierschutzes sollten die Aufzuchtbedingungen auf gesunde
Schweine ausgerichtet sein.
Im Rahmen ihrer umfassenden Studie an Tieren in England und Wales galt es, sowohl dem Landwirt als
auch dem Schlachthof einen
praktikablen Lösungsansatz im Kampf gegen die Pleuritis als Befund
bei der Fleischuntersuchung zu bieten. Die British Pig Executive (BPEX) als Repräsentant der British
Pig lndustry und Sponsor der Studie machte zur Bedingung, dass die Ergebnisse für die Industrie
praktisch
anwendbar sein müssten. Durch die effektive Nutzung von relevanten Datenbankinformationen
durch die Tiermedizin können haltungsbedingte Probleme und Erkrankungen schnell erkannt und frühzeitig
Abhilfe geschaffen werden. So kann nun durch
Vorbeugen und Kontrolle der etablierten Risikofaktoren
die Gesundheit der Mastschweine verbessert werden, was auch eine Verbesserung der
Sicherheit des Lebensmittels Schweinefleisch bedeutet.
Bei der Schweinemast müssen verschiedene Gruppen von Schweinen je nach Alter unter Umständen
mehrfach umziehen – heranwachsende Schweine brauchen mehr Platz als kleine Ferkel, auch die nötigen
Umgebungsbedingungen wie die Temperatur sind unterschiedlich. Jeder Umzug stresst die
Schweine, beeinflusst das Tierwohl und birgt ein
Risiko für Infektionen: Wird ein Stall nicht gründlich
gereinigt und desinfiziert, können Infektionen von einer Gruppe auf die nächste übertragen werden.
Infektionsgefahr besteht auch dann, wenn nicht die gesamte Gruppe umzieht oder geschlachtet wird
(all-in/all-out), sondern nur ein Teil – die verbleibenden Tiere können Neuankömmlinge infizieren. Das
Mischen verschiedener Gruppen, das manchmal auch wegen der Größe der verfügbaren Ställe notwendig
ist, erhöht die Infektionsgefahr. Gleichzeitig kommt die etablierte Rangordnung durcheinander, die
Schweine beginnen zu kämpfen – dies bedeutet vermeidbaren Stress bis hin zu Verletzungen der Tiere.
Grundlage für die Risikofaktorenanalyse bildete die Datenbank des British Pig Health Scheme (BPHS)
von BPEX, die es ermöglichte, Betriebe in die Kategorien ,Risikobetrieb' und ,Kontrollbetrieb' einzuteilen.
Speziell ausgebildete Schweinetierärzte sammelten regelmäßig seit 2005 Daten an den 14 größten
Schlachthöfen in England und Wales (mit 92 % von mehr als 8 Millionen Schweineschlachtungen im
Jahr). Durch die gezielte Auswahl der Tierärzte wurde die Qualität der Daten sichergestellt. In ihrer experimentellen
Arbeit hat Frau Jäger eine Fall-Kontroll-Studie durchgeführt und dazu die Informationen
von insgesamt 242 Schweine-haltenden Betrieben (je 121 Fall- und Kontroll-Betriebe) ausgewertet.
„Ein ähnliches System wäre vielleicht auch in Deutschland denkbar“, sagt Frau Jäger. Qualitativ hochwertige
regelmäßige Kontrollen bei Schlachtschweinen, bei denen der Landwirt und der Hoftierarzt über
die Untersuchungsergebnisse innerhalb von 48 Stunden informiert werden, erlauben zeitnahe Maßnahmen
direkt am Hof. „Dies bedeutet eine Verbesserung der Tiergesundheit, des Tierschutzes und
damit auch Verbesserung des Lebensmittels Schweinefleisch, was das Vertrauen der Verbraucher in
die Qualität von Schweinefleisch bestärken sollte.“
Da das Tierwohl bei der Vermarktung von Fleisch zunehmend an Bedeutung gewinnt, sind präventive
Maßnahmen und Verbesserungen des Hygienemanagements auf Bestandsebene möglichst frühzeitig
umzusetzen. Dass dies unter Nutzung sämtlicher Informationen ausgezeichnet gelingen kann, hat Frau
Jäger eindrucksvoll zeigen können.
Henrike Jäger, Jahrgang 1979, studierte Tiermedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München
und ist seit 2005 approbierte Tierärztin. Im Februar 2013 promovierte sie mit der jetzt ausgezeichneten
Arbeit zur „Risikofaktorenanalyse zu Pleuritiden bei Schlachtschweinen“ bei Prof. Mathias Ritzmann an
der Klinik für Schweine der LMU München, nachdem sie extern an der University of Cambridge Veterinary
School in England eine dreijährige Studie zu diesem Thema abgeschlossen hatte.
Sperrfrist 26. September 2013!Heinrich-Stockmeyer-Stiftung
Parkstraße 44–46
49214 Bad Rothenfelde
Telefon: +49-(0)5424/299-150
Telefax: +49-(0)5424/299-111
E-Mail: info@heinrich-stockmeyer-stiftung.de
Homepage: www.heinrich-stockmeyer-stiftung.de